Dschungelcamp ...
... und seine Folgen
18. Januar 2004
Die Dschungel-Show bei RTL nähert sich ihrem Ende - und damit, so könnte man
meinen, auch der Medien-Hype. Doch es dürfte alles noch viel schlimmer kommen.
Werfen wir einen Blick in eine trübe Fernsehzukunft:
20. Januar
14 Millionen Zuschauer verfolgen das Finale der Show, für das RTL sein gesamtes
Programm geändert hat. Die Übertragung beginnt um 18 Uhr MEZ, unterbrochen von
"RTL aktuell", das Peter Kloeppel direkt aus dem Dschungel moderiert.
Der Sieger Daniel Küblböck verläßt das Camp um zwei Uhr morgens und erleidet
vor Rührung einen zwanzigminütigen Weinkrampf, den RTL in voller Länge überträgt.
Die Sendung endet gegen drei Uhr mit den erschütternden Bildern von Costa
Cordalis, der aus dem Camp getragen wird, nachdem er freiwillig nicht gehen
wollte. Bei Sat.1 hat kurz zuvor Ulrich Meyer versucht, die RTL-Show als Fake zu
entlarven: Seine "Akte 04"-Reporter haben vor Ort herausgefunden, daß
die Luftfeuchtigkeit statt angeblich 95 nur 92 Prozent beträgt. Zudem erzählt
ein anonymes Mitglied der australischen Crew, daß die Wasserspinne, die Küblböck
fast zu Tode erschreckte, eventuell aus Gummi gewesen sei. Der erhoffte Skandal
bleibt aus.
21. Januar
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse fordert RTL auf, dem "unwürdigen
Spektakel" ein "baldiges Ende" zu setzen.
22. Januar
RTL gibt bekannt, daß die Urwald-Utensilien der Stars zu Charity-Zwecken
versteigert werden - Hüte, T-Shirts, Badehosen, Bettzeug, Massagebälle. Vom März
an will RTL zudem Pilgerreisen ins Camp organisieren.
27. Januar
In einer nach dem Urteil der Moderatorin "ergreifenden" Sendung
schildert Susan Stahnke bei Maischberger unter Tränen die entbehrungsreiche
Zeit im Dschungel. Bessere Quoten hat mal wieder Kerner, der seine vier
Sendungen in dieser Woche dem Sieger Küblböck gewidmet hat. Den
journalistischen Scoop gelandet hat jedoch tags zuvor schon Beckmann: Er hat aus
Caroline Beil herausgekitzelt, daß sie an der Show allein deshalb teilgenommen
hat, "um berühmt zu werden".
Februar
Alle Dschungel-Stars sind gut im Geschäft. Nicht nur tauchen sie ständig bei
"Bild" und in "Promi-Shows" auf, sie bekommen sogar eigene
Sendungen: Lisa Fitz eine Kochshow bei Vox, Carlo Thränhardt ein
Extremsport-Magazin im DSF. Der zweite Teil von Daniel Küblböcks Biographie,
der seine Mannswerdung im Urwald schildert, führt die Bestsellerliste an,
gefolgt von "Gefangen im TV-Dschungel", einem Gemeinschaftswerk der
Medienwissenschaftler Lothar Mikos und Jo Groebel. Mariella Ahrens, Susan
Stahnke und Caroline Beil erhalten Angebote, sich für den "Playboy"
auszuziehen. Die beiden letzten lehnen ab, weil sie das längst getan haben.
März
Musikalisches Comeback für Werner Böhm: Seine "Polonaise Blankenese"
im Remix von Westbam stürmt die deutschen Charts. Sein Auftritt als Gottlieb
Wendehals wird zum Meilenstein der "Top of the Pops"-Geschichte.
April
Sat.1 kündigt die Show "Ich bin berühmt und will hier weg" mit
Barbara Salesch und Thomas Koschwitz an; versprochen werden noch mehr Kakerlaken
und noch tiefere Tümpel.
Juni
ARD-Programmchef Günter Struve verkündet die Verpflichtung Sonja Zietlows. Sie
sei ein "frisches Gesicht" und passe hervorragend zur ARD, so Struve;
mit Bärbel Schäfer, Margarethe Schreinemakers und Zietlow habe man ein Trio
starker Frauen versammelt, "um das man uns beneidet". Weniger Glück
hat Co-Moderator Dirk Bach, dessen ZDF-Serie "Der kleine Mönch"
eingestellt wird: Das Publikum findet ihn als Mann Gottes jetzt unglaubwürdig.
September
Bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises wird "Ich bin ein
Star" als "Beste Unterhaltungssendung", als "Beste tägliche
Sendung" und als "Beste Comedy" gekürt. Einen Eklat erzeugt
Harald Schmidt, als er sich weigert, die Preise zu überreichen.
Oktober
Für Aufregung sorgen Berichte, wonach auch das ZDF eine Camp-Show plant. Man müsse
mit der Zeit gehen, sagt Intendant Schächter auf Nachfrage, betont aber, daß
"die Handschrift des ZDF" erkennbar bleibe. In der Tat: ZDF-Stars wie
Peter Hahne, Dieter Kürten, Gaby Dohm und Rolf Schimpf campen auf einer
Lichtung im Odenwald. Hungern müssen sie nicht, doch es gibt nur Trennkost und
alkoholfreies Bier. Auf die "menschenverachtenden Dschungel-Prüfungen"
(Schächter) wird verzichtet; statt dessen stellen die Moderatoren Marianne und
Michael "heitere Quizfragen".
Dezember
Dschungel-Shows laufen bei Sat.1, Pro Sieben und Viva; Super RTL zeigt eine
Variante mit Kindern. RTL 2 arbeitet an "Ich bin ein Popstar", wo sich
im Urwald eine Band formen soll.
Januar 2005
Endlich kehrt das Original zurück: RTL startet "Ich bin ein Star",
Teil zwei. Die Besetzung ist noch illustrer als in Runde eins: Sonya Kraus,
Carsten Spengemann, Alexandra Kamp, Michel Friedman, Lucy von den "No
Angels", Guildo Horn, Jenny Elvers-Elbertzhagen, Michaela Schaffrath,
Hellmuth Karasek und, zum zweiten Mal, Costa Cordalis ziehen in den Dschungel -
diesmal für acht Wochen. Es gibt die Zeitschrift zur Show, alle Stars schreiben
Tagebuch, die Werbebuchungen sind gut. Die Quoten aber enttäuschen: Selbst die
Sendung, in der Costa Cordalis einen lebenden Python verspeist, wollen nur zwei
Millionen sehen. Nach drei Wochen bricht RTL die Zelte ab. Das Publikum, meint
Senderchef Zeiler lakonisch, habe sich an den Prominenten einfach sattgesehen.
Oktober 2006
Eine Touristengruppe entdeckt im australischen Urwald einen verwildert
aussehenden Mann, der sich von Käfern ernährt, eine Gitarre bei sich trägt
und mit griechischem Akzent spricht. Er sei, so sagt er auf Nachfrage, ein Star.